Sonntag, 4. Mai 2008

Wunsch und Wirklichkeit

Endlich sollte es so weit sein und Ansas Kindheitstraum, den Großvenediger zu besteigen, sollte sich erfüllen. – Naja zumindest wurde fast was draus.
Nachdem alle unsere Herren keine Zeit oder Familienverpflichtungen hatten, zogen wir, Ansa und ich, dieses Wochenende alleine los. Der Wetterbericht hatte für Donnerstag, den 1.Mai noch nichts Gutes versprochen, aber dann mit steigender Tendenz bis Sonntag immer besseres Wetter vorhergesagt. Nachdem wir von Freitag auf Samstag noch einen Platz auf der Neuen Prager Hütte bekommen hatten, machten wir uns Donnerstagnachmittag auf den Weg nach Hollersbach. Dort übernachteten wir und konnten so am nächsten morgen, ohne übermäßig früh aufstehen zu müssen, zeitig loslaufen.
Der riesengroße Parkplatz am Matreier Tauernhaus (1512 m) war ziemlich leer und noch im Winter, die Parkuhren waren noch verpackt. Zunächst musste noch ein bisschen verpackt werden und ich war furchtbar stolz auf mich, Seil und Helm in den Rucksack zu bekommen. Nachdem wir die Ski dann auch
noch am Rucksack verstaut hatten, machten wir uns zu Fuß auf den Weg, auf der Straße Richtung Innergschlöß (1691hm). Zunächst ging es an dicht mit Krokussen bewachsenen Wiesen vorbei, bevor wir mit jedem Schritt ein wenig mehr dem Frühling entflohen und in den Winter zurückkehrten. Später erfuhren wir, dass die Straße erst kürzlich geräumt worden war, bis dahin war der Zustieg noch bequem machbar. Der Himmel war bedeckt und kurz vor Innergschlöß begann es zu schneien. Dies bedeutet für uns dann aber auch endlich die Ski vom Buckel nehmen zu dürfen, so dass der Rucksack zumindest ein bisschen leichter wurde und wir konnten gemütlich weiter hinter ins Tal schlappen.
Bei ca. 1750 m überquerten wir den Fluss auf einer Brücke und folgten der schon vorhandenen Spur Richtung Südwesten. Dabei ging es zuerst relativ steil durch einzelne Felsstufen und an Bäumen vorbeiquetschend 200 hm hinauf. Es war noch recht früh am Tag und so war die Spur noch gut verfroren und somit manchmal recht rutschig. Aber was uns wirklich am Verstand zweifeln ließ, waren die Fußspuren, die diese wunderschöne Skispur zertrampelt hatten. Richtig, Fußspuren keine Schneeschuhspuren. Teilweise waren der oder die bestimmt hüfttief eingesunken. Wie bitte kommt man Anfang Mai, wo es noch ordentlich Schnee hat, auf die Idee den Großvenediger zu Fuß zu besteigen???
Das Problem war, dadurch, dass alles so verfroren war und die Fußspuren in der Spur, dass der Ski oft kaum Auflagefläche hatte, was halt zu dem ein oder anderen unfreiwilligen Zurückrutschen führte.
Wir stiegen weiter und inzwischen ließ sich auch die Sonne immer mal wieder kurz blicken. Es ging durch kupiert Gelände gemütlich Richtung Unterer Keesboden. Kurz vor dem Gletscher machten wir eine ausgedehnte Rast. Dabei kamen uns zunächst drei Fußgänger entgegen. Hätten sie nicht irgendeine osteuropäische Sprache gesprochen, hätten wir ihnen wahrscheinlich deutlich klar gemacht, dass wir sie fürs Spurzertrampeln hassten. Gefolgt wurden die drei von zwei Schneeschuhtourengehern in der Skispur. Kaum sahen sie, dass wir dort saßen, verließen sie die Skispur und gerade waren sie an uns vorbei, ging es flux zurück in die Spur. Nicht, dass der Boden gefroren war und sie sowieso nicht eingesunken wären, nein, man musste die Spur zertrampeln.
Wir saßen dort kaum fünf weitere Minuten kamen von unten drei Sachsen – mit Bergschuhen an den Füßen.
Langsam überlegten wir uns, ob jetzt wir oder die hier irgendwie falsch ware
n. Zum Glück kamen kurz drauf die ersten Skibergsteiger und unser Weltbild wurde wieder zu Recht gerückt. Eine interessante Pause war das auf alle Fälle gewesen.
Aber wir machten uns wieder auf den Weg und überquerten flott den flachen Teil des Unteren Keesbodens. Danach ging es die letzten 500hm zur Hütte in einem großen Bogen am Punkt 2754 vorbei. Und da war jemand beim Spuren wirklich motiviert gewesen. Die Spur war aber auch wirklich so sakrisch steil. Leider konnte sich aber niemand dazu motivieren, eine neue Spur zu legen und so quälten sich alle der Hütte entgegen. Die letzten 150hm sah man sie dann auch schon und sie wirkte so nahe. Der Weg, bis wir sie erreichten, zog sich aber auf den letzten paar Metern wie Kaugummi in die Länge. So erreichten wir um kurz nach eins nach 5 ½ Stunden die Hütte.
Dort hatten wir jetzt jede Menge Zeit, die tot geschlagen werden wollte. Aber die Hüttenwirtin bemühte sich redlich und teilte uns schnell noch drei Herren an den Tisch zu. So zwei junge Mädels kann man ja nicht alleine lassen.
Früh schlafen gingen wir dennoch, mit dem Gewissen, dass es morgen bestimmt besseres Wetter geben würde. Um halb sechs war Frühstücken angesagt. Draußen ging ein enormer Wind und der Himmel war dick mit Wolken bedeckt. Hohe Bewölkung, wenn man im Tal ist für uns bedeutete das aber, dass der Gipfel irgendwo in einer dicken weißen Suppe hing. Wir ließen uns viel Zeit beim Frühstück und machten uns um halb sieben auf den Weg. Am Punkt 2993 seilten wir an bevor es auf den Gletscher ging. Aber auch da war schon nicht wirklich viel zu sehen. Vor uns waren noch zwei Jungs unterwegs, die uns kurz darauf wieder entgegen kamen und dann doch mit uns weiter gingen. Noch sah man ein paar Abfahrtsspuren vom Vortag. Aber es wehte halt doch ordentlich, so dass nicht viel erkennbar war. Auf ca. 3100 m nach einigen Diskussionen mit den anderen beiden und zwei weiteren, die zu uns gestoßen waren, entschieden Ansa und ich umzukehren. Die anderen gingen zwar weiter, aber wir konnten nicht einsehen, welchen Sinn es haben sollte, in dickstem Nebel über einen Gletscher zu stochern, nur um das Gipfelkreuz des Großvenedigers gesehen zu haben. Wir fanden die Aktion, so im Nebel doch nicht ganz ungefährlich.
Also fellten wir ab und machten uns an die Abfahrt. Was da auf uns
wartete war wirklich das schlimmste was ich je an Abfahrt erlebt hab. Zunächst war es noch ein Harschdeckel der mal hielt, mal durchbrach. Mich brachte das zu einem hässlichen Sturz, bei dem ich ziemlich kräftig mit dem Kopf auf dem steinharten Schnee aufschlug und das erste Mal beim Skitourengehen wirklich dankbar war, einen Helm aufzuhaben. Danach folgten ungefähr 1000 hm Horrorabfahrt. Am Tag zuvor waren eine Menge Leute abgefahren, so dass der Schnee ordentlich zerfahren war. Der war jetzt über Nacht bockelhart gefroren. Dort mussten wir jetzt durch. Man konnte den Ski kaum kontrollieren, von Schwingen war gar nicht erst die Rede. Es war ein bisschen so, wie wenn man in einem Lawinenfeld abfahren muss, dessen Brocken total festgefroren sind und das eben 1000 hm lang. Und unten wartete ja noch der enge Teil durch die Bäume auf uns. Wir fragten uns wirklich, wie wir da überhaupt abfahren sollten. Aber manchmal muss man halt auch ein bisschen Glück haben. Unten war es schon so warm, dass der Schnee dort weich war und diese letzten 200hm bis zur Straße kein wirkliches Problem mehr darstellten. So kamen wir glücklich, dass wir es endlich geschafft hatten, unten an der Brücke an. Dort machten sich gerade drei Männer fertig zum Aufstieg. Als sie hörten, dass wir nicht auf dem Gipfel gewesen waren, meinten sie, wir sollten doch direkt wieder mit zur vollen Hütte aufsteigen. Man könnte ja ein wenig zusammen rücken. Nein, nein, das brauchten wir nun wirklich nicht.
Ein Blick zurück zeigte, dass, obwohl der Himmel jetzt immer wieder blaue stellen frei gab, sich die Wolken am Großvenediger festsaugten und wirkliche keine Möglichkeit auf Sicht dort oben boten.

Wir schulterten die Ski und machten uns an den Fußmarsch aus dem Tal heraus. Dabei begegneten wir so vielen Leuten, dass wir dankbar waren, raus und nicht rein zu laufen. Alles im Auto verstaut ging es zurück in den Sommer.
Auch wenn wir diesmal kein Gipfelglück hatten, war es ein wunderschönes und sehr, sehr lustiges Wochenende.
Wir werden uns den Gipfel schon noch holen, aber dann bitte nicht am Wochenende, in der Hoffnung, wir sind ein bisschen mehr allein.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Schade, Schade ....
Aber da hatte Uta ja richtig Glück dass sie lieber mit mir ins Karwendel gefahren ist.
Wir hatten am Freitag und Sonntag richtig Glück mit dem Wetter so dass uns die volle Raibn über den Karwendelhauptkamm geglückt ist.
Freitag von der Pleissenhütte über Larchetkarspitze, Breitgrießkarspitze (super Steilabfahrt vom Gipfel) und das Neunerkar ins Karwendeltal und hinauf zum Karwendelhaus und Sonntag über Birkarscharte, Ödkarspitzen und Seekarspitze zum Nunerkar und das Tal hinauswandern.