Montag, 28. April 2008

Der Tödi

Die Bedingungen waren optimal vorhergesagt. Da ließen wir uns nicht zwei Mal bitten. Anja, Ansgar, Erik und ich machten uns Freitagmorgen um 3 Uhr pünktlich in Karlsruhe auf den Weg Richtung Glarner Alpen. Um 7 Uhr waren wir am Urnerboden. Das Wetter war nass und wolkenverhangen, von der Sonne weit und breit nichts zu sehen. Nach einer kurzen Lagebesprechung entschieden wir uns trotzdem zum Fisetenpass (1938 m) aufzufahren und von dort weiter zu gehen, zwei weitere Skitourengeher am Parkplatz hatten sich ebenfalls dafür entschieden. Die Alternative wäre der normale Hüttenzustieg zur Fridolinshütte von Tierfehd aus gewesen. Am Gemsfairenstock
Oben war es sehr zugig. Wir waren in den Wolken. Zu Beginn war noch eine Spur von unseren Vorgängern sichtbar, die aber immer öfter bereits verweht war. Dazu kam noch Schneefall, der ins Gesicht peitschte. Die „Sandstrahlmaschine“ lief auf Hochtouren. Bald trafen wir vier Leute, die zwei vom Parkplatz und einen Vater mit seinem Sohn, die Probleme mit der Wegfindung hatten. Zwei entschieden abzufahren, Vater und Sohn schlossen sich uns an. Erik war überzeugt, dass wir den Weg finden würden. Und wirklich war der Aufstieg zum Gemsfairenstock relativ gut zu finden. Den Gipfel erkannte man lediglich am Kreuz, sonst sah man nicht viel. Bei der Abfahrt wollten wir den möglichst direkten Weg nehmen und nicht über die Claridenhütte fahren. Es wurden immer mal wieder ein paar Felsen sichtbar, so dass wir uns orientieren konnten. Wir fuhren immer ein Stück und begutachteten dann die Lage. So schlugen wir uns durch. Der Schnee war sehr schwer und feucht. Nur der letzte Abhang vor Ober Sand stellte uns vor größere Probleme. Hier mussten wir den Weg suchen, das ist mit Ski im tiefen Schnee ganz schön ermüdend. Glücklicherweise zogen die Wolken kurz raus, so dass Erik eine Abfahrtsmöglichkeit fand. Steil war auch diese, mit Felsen unter dem Schnee, aber immerhin besser als die Felsabbrüche links und rechts neben uns. Wir fuhren den Hang (60 hm) einzeln, da er von oben schwer einzuschätzen war. Von der Mulde (1937 m) mussten wir nun noch mal auf 2265 m aufsteigen, um dann zur Hütte abfahren zu können. Dabei fuhren wir am Hang entlang, um ohne Gegenanstieg zur Hütte zu kommen und querten mehrere Lawinenfelder. Es wurde einem wieder bewusst, wie schwer Lawinenschnee ist. Müde waren wir auf der Hütte, es war bereits 17.30 Uhr, die Wegfindung hatte uns sehr viel Zeit gekostet. Die Fridolinshütte ist sehr gemütlich, sie war auch nicht ganz voll. Nach dem Essen hatte es aufgeklart, die Wetterbesserung kam zwar viel später als angekündigt, versprach aber für den folgenden Tag einiges. Die Route auf den Tödi
Am TödiFrühstück gab es um 4:30 Uhr, der Himmel war sternenklar und der Hängegletscher oberhalb der Hütte vom Mond angestrahlt. Eine wunderschöne Stimmung. Wir machten uns um kurz nach 5 als erste auf den Weg. Zum Gletscher fuhren wir mit Stirnlampe ab, nach dem Anseilen war es hell genug. Zuerst mussten wir die zwei Gletscherbrüche überwinden, die aber beide gut zugeschneit waren und damit beste Bedingungen versprachen. Der erste ist relativ einfach durch die Mitte zu überwinden, beim zweiten mussten wir die beste Route suchen. Dabei gab es doch sehr interessante Aufstiegsstellen. Es waren einige Seilschaften unterwegs, so dass es immer mal wieder ein bisschen stockte. Wie wir hier abfahren wollten, war mir allerdings noch ein Rätsel. Nach den Gletscherbrüchen auf 2800 m kamen wir in die Sonne. Angenehm warm war es (für diese Höhe). Hier vesperten wir erst mal, nach 3 Stunden knurrte uns der Magen. Dabei überholten uns vier Leute, die aus dem Tal aufgestiegen waren. 2800 hm in fünf Stunden ist schon ganz schön krass. Nach der Pause verlief die Spur flacher, wir mussten etwas Strecke zurücklegen, trotzdem gingen wir angeseilt weiter. Wir waren relativ langsam unterwegs, trotzdem waren die letzten 200 hm für mich eine Qual. Nach fast sechs Stunden waren wir glücklich und zufrieden oben auf dem Tödi.
Auf dem Gipfel hatte man einen wunderschönen Blick in alle Richtungen. Es war relativ windstill, manche Berge waren jedoch wolkenverhangen. Der erste Teil der Abfahrt war herrlich. Obwohl der Pulver schon verspurt war, fand jeder noch eine schöne Linie. Je tiefer wir kamen, desto schwerer wurde der Schnee. Erstaunlicherweise war das Abfahren durch die Brüche kein Problem. Es war total beeindruckend neben diesen Eisriesen zu stehen und über sie einen Weg nach unten zu finden. Ansgar im GletscherbruchAnja und Ansa im Bruchim Tal
Nach den Brüchen folgte die lange Abfahrt durch ein tief eingeschnittenes Tal nach Tierfehd. Wir mussten uns beeilen, da die Gefahr von Nassschneelawinen am Nachmittag zunahm. Wir durchquerten noch mal einige Lawinenfelder. Spaß ist was anderes, vor allem Ansgar war ziemlich genervt und schnallte irgendwann die Ski ab. Ab dem Stausee in Hinter Sand folgt die Route dem Fahrweg. Allerdings war hier der Schnee schon eher Mangelware. So mussten wir häufig die Ski tragen. Trotzdem ist dies noch viel angenehmer als den Weg im Sommer zu Fuß rauszulaufen. Auf ca. 1000m blieb uns nichts mehr übrig als die Ski am Rucksack zu verstauen und zu gehen. So kamen wir müde und glücklich in Tierfehd an. Während Ansgar das Auto holte, lagen wir drei gemütlich in der Sonne. Es ist einfach herrlich, nach dem Winter oben in den Frühling unten zu kommen und die leuchtenden Gletscher zu betrachten.
  • Gemsfairenstock 2972 m
  • Stützpunkt: Fridolinshütte 2111 m
  • Tödi 3614 m, höchster Berg der Glarner Alpen, S
  • Karte: Skitourenkarte Klausenpass 246 S

Dienstag, 15. April 2008

Die Sonnenanbeter

Nachdem ich meine erste Hauptdiplomsprüfung hinter mich gebracht hatte und Ansas erste Version der Diplomarbeit stand, brauchten wir dringend mal wieder eine Skitour.
Mit Ansgar zusammen wollten wir eigentlich auf den Gran Paradiso, aber das Wetter ließ wirklich kaum etwas zu. Auch die gesamte Schweiz versprach für dieses Wochenende kein skitourenfreundliches Wetter.
Wir entschieden uns schließlich zusammen mit Hansi, der sich uns tollerweise noch angeschlossen hatte, zur Vernagthütte zu gehen. Auch fürs Ötztal war der Wetterbericht, vor allem für den Samstag eher bescheiden, aber das nahmen wir in Kauf, um endlich mal wieder auf Tourenski zu stehen.
Wir hatten als Treffpunkt 3 Uhr am Freitagmorgen bei Hansi ausgemacht, um dann mit seinem Auto weiter fahren zu können. Leider verlor seins Kühlwasser, so dass wir uns zu viert mit kompletter Ausrüstung in mein Autochen quetschten. Es hätte nicht mehr Gepäck sein dürfen, aber es ging und somit wäre dann auch bewiesen, dass man zu viert in einem Focus (kein Kombi) auf Skitour fahren kann.
Um kurz nach neun erreichten wir Rofen und machten uns startklar. Zunächst musste noch geklärt werden, wer das Seil trägt. Die Herren hatten kein Erbarmen mit uns und so nahm ich das Seil zuerst, in der Hoffnung es dann möglichst bald wieder loszuwerden. Was auch gelang!
Wir folgten zunächst einem Forstweg über Wiesen. Der Weg selber hatte aber meist noch genug Schnee, so dass wir die Ski nicht tragen brauchten. Ab der Materialseilbahn ging es dann auf dem Sommerweg weiter. Dort kamen schone eine Menge Steine raus. Hoch konnte man da zwar noch gut mit Ski drüber kraxeln, aber es war sofort klar, dass das nichts werden würde beim abfahren.
Der Weg war schließlich mit Stangen markiert. Leider schafften wir es trotzdem, fälschlicherweise nach rechts abzubiegen, so dass wir uns 80 hm extra aufhalsten. Der eigentliche Weg ging nämlich an dieser Stelle noch einmal leicht herunter bevor er ins Tal hineinzog und zu einer kleinen Brücke führte.
Bevor wir dort hingelangten machten wir aber an einem kleinen, zerfallenen Hüttchen noch eine Pause. Sehr eilig hatten wir es eh nicht. Das Wetter war doch eher bescheiden und wir würden sowieso keinen Gipfel mehr angehen.
Von der Brücke aus war es dann nur noch eine kleine, etwas steilere Stufe bis zur Vernagthütte auf 2760 m. Die Hütte war ziemlich voll. Zwei große französische Gruppen waren dort. Trotzdem hatten wir Glück und wurden nicht wie angekündigt in den Winterraum gesteckt, sondern bekamen gemütliche Lagerbetten in relativ kleinen Lagern, die Ruhe für die Nacht versprachen. Allerdings in zwei unterschiedlichen Räumen. So machten wir für den nächsten Tag 7 Uhr als Frühstückszeit aus, um dann zu beschließen, was wir machen wollten.
Um 7.30 Uhr hatten sich die Herren immer noch nicht blicken lassen und Ansa und ich waren bereits mit dem Frühstück fertig. Das Wetter sah zwar wirklich nicht danach aus, als würden wir überhaupt die Nase aus dem Fenster strecken und zu dem war die Lawinenwarnstufe, wie vorhergesagt, auf eine drei gestiegen, aber trotzdem könnten die zwei sich schon blicken lassen. Als ich nach ihnen schauen ging, lagen sie noch im Bett. Die Erklärung: Der Hüttenwirt hatte gestern Abend noch gesagt gegen Mittag sollte das Wetter besser werden und sie wussten leider nicht wo wir schlafen, um es uns mitzuteilen. – Ahh ja ist klar!
Um 10 Uhr wurde das Wetter dann aber doch ein wenig besser. Also, es gab Moment wo man weiter als zum Fahnenmast sehen konnte der fünf Meter vor der Hütte stand und der Schneefall ließ nach. So machten wir uns dann auf den Weg Richtung Fluchtkogel und hatten sogar Glück, eine Spur war schon vorhanden. Trotzdem war es inzwischen wieder ziemlich zugezogen und bei 20 m Sichtweite wollten wir wahrlich nicht über den Gletscher. Aber in diesem Dampfkessel in dem wir uns befanden, es war relativ warm und der Nebel tat das seinige, ließ es sich doch ohne frieren eine Weile im Schnee aushalten.



Also machten wir es uns am Fuße des Gletschers gemütlich und warteten – und warteten – und warteten, aber irgendwie wollte der Nebel nicht weg und die Sonne nicht her.
Hansi versuchte es schließlich mit Sonnenanbetung und kurz darauf begann Ansgar Stimmen zu hören. Alles insgesamt eher unheimlich, wenn man bedenkt das um uns rum nichts als weiß war.
Tatsächlich erschien aber kurz darauf, zwar nicht die Sonne, aber ein Engel in Form eines Bergführers mit Gruppe, die auf dem Rückweg vom Fluchtkogel waren. Etwa 200hm über uns sollte die Sicht viel besser sein, sie hatten keine Spalten gesehen und eine Spur lag ja jetzt auch schon.
Das war unser Startschuss und wir machten uns auf den Weg nach oben. Tatsächlich wurde die Sache mit der Sicht lange nicht besser, zwischendurch begann es sogar noch einmal zu schneien. Im Aufstieg gingen wir am Seil. Durch die unglaublich hohe Luftfeuchtigkeit und die Hitze macht uns der Anstieg aber ziemlich zu schaffen und so erreichten wir erst um 15 Uhr, ohne irgendeinen Berg um uns herum zu sehen, den Gipfel auf 3500m.
Was allerdings jetzt auf uns wartete war eine wunderschöne Abfahrt, die wir ohne Seil in Angriff nahmen, mit wirklich traumhaftem Pulver. Eben so, wie man sich das mit dem Skitourengehen immer vorstellt und die Sicht war wenigstens so, dass man ohne größere Probleme abfahren konnte. Wenn das Hochlaufen bei diesem Dampfbad-Klima nicht so anstrengend gewesen wäre, man hätte es einfach noch mal machen müssen.
Aber auch so war der Tag noch viel besser geworden als erwartet und wir freuten uns schon alle auf den nächsten.
Zwar war beim Aufstehen noch kein strahlender Sonnenschein, aber eben doch Sicht und wir machten uns mit einer ziemlich großen Meute auf den Weg Richtung Hochvernagtspitze (3539m). Zu unserer großen Freude bogen alle anderen Richtung Wildspitze ab. Wir waren somit ganz allein und krochen allmählich dem Gipfel entgegen mit kurzen Fotografierpausen. Die Temperaturen waren heute deutlich tiefer als an den beiden Vortagen und mit einem gleichmäßigen Tempo von Anfang an ging es uns allen an diesem Tag richtig gut, so dass wir flott vorankamen. Eigentlich hatten wir uns eine schöne Gipfelrast mit toller Aussicht vorgestellt, oben pfiff es aber ganz gewaltig, so dass wir uns schnell an die Abfahrt machten. Und die war noch einmal einfach himmlisch. Kaum waren wir etwas tiefer war es nicht mehr so windig und die Sonne ließ sich auch immer mehr blicken.
Nach einer gemütlichen Pause unter Hansis Olympiahang, ein Traumhang auf dem man wirklich alles geben musste, machten wir uns auf den Heimweg zu Hütte. Leider verhinderte ein ziemlich steiler Hang, in den nun doch schon länger die Sonne reinknallte, kurz vor der Hütte, den direkten Weg zu eben dieser. Schließlich hatten wir immer noch einen dreier. So mussten wir einen Umweg in Kauf nehmen und noch einmal den letzten Hang zu Hütte aufsteigen um unsere restlichen Sachen dort abzuholen. Diesen Part übernahmen dann aber Hansi und Ansa, während Ansgar und ich einen Schneemann bauten.
Bei der Abfahrt zurück ins Tal wurde der Skifahrspass dann sichtlich geringer. Schwerer Schnee, zerfahren, gefolgt von immer weniger der weißen Pracht und somit einigen Steinen ließ uns wünschen, wir wären schon am Auto.
Aber insgesamt ging es noch recht gut und große Teile des Forstweges waren dann auch noch befahrbar. Am Auto angelangt mussten wir dann feststellen, dass nichts mehr ging. Wir hatten das Licht angelassen. In Rofen gibt es aber ein Gasthaus, zwar geschlossen, aber trotzdem gab uns der Besitzer netter Weise Starthilfe. Leider fiel mir beim aufschließen der Motorhaube noch der Schlüssel vorne ins Auto und landete auf einem Rost, mit den Fingern unerreichbar. Er musste erst einmal mit der Hilfe von Brillenbügeln geborgen werden, bevor wir das Auto endlich wieder zum laufen brachten.
So erreichten wir schließlich müde, aber glücklich und zufrieden um Mitternacht Karlsruhe.
Dafür, dass wir eine so schlechte Wettervorhersage hatten, verbrachten wir ein fantastisches Wochenende mit sehr schönen Touren auf tolle „Dreieinhalbtausender“ und wirklich wunderschönen Abfahrten.
  • Vernagthütte
  • Alpenvereins Skitourenkarte Blatt 30/6 Ötztaler Alpen, Wildspitze