Montag, 19. September 2016

Auf Messers Schneide

Und weil es so gut läuft und das erste richtige stabile Hoch des Sommers einfach nicht klein zu kriegen ist, müssen Martin und ich im Engadin natürlich auch noch mal die schweren Stiefel auspacken.... Nach dem gemütlichen Abendessen bei Zachi verbringen wir den nächsten Vormittag mit Rucksack packen, letzte Sachen recherchieren, Vorräte auffüllen und einfach kurz in der Sonne ausspannen. Mittags machen wir uns dann auf den Weg nach Pontresina, von wo aus wir zuerst durch lichten Kiefernwald ins Val Roseg wandern. Es ist unglaublich heiß, trotz der Höhe (Pontresina liegt auf 1800m) und so sind wir über jeden Schatten froh. Beeindruckend wie sich das Tal weitet und den Blick auf die Gletscher frei gibt. Wir steigen weiter zur Tschiervahütte. Einige entgegenkommende Wanderer schauen uns ungläubig an, wünschen uns viel Glück oder fragen uns, ob wir uns wirklich sicher sind. Das erhöht natürlich die innere Anspannung vor so einer Tour... Gegen vier Uhr sind wir auf der Hütte und trotz des herrlichen Wetters suchen wir einen Schattenplatz in der Hütte und leeren eine 1,5-Liter-Flasche nach der anderen (beim Bezahlen fragt die Hüttenwartin, ob unsere Strichliste auch wirklich stimmt *g*). Die Sonne hat uns regelrecht ausgetrocknet... Die Tschiervahütte hat einen modernen Anbau in Holz-/Betonoptik bekommen, wie ich finde, ist diese Renovation ausgesprochen gut gelungen. Der Abend vergeht schnell und die Anspannung vor dem nächsten Tag wird nicht weniger. Letzte Tipps zur Wegführung zur Fuorcla Prievlusa erhalten wir von unserem Tischnachbarn, der den Biancograt bereits dreimal gemacht hat. So fühlen wir uns doch ganz gut vorbereitet und verschwinden früh in die Federn. Vom Bett aus sehen wir die Berge im letzten Abendlicht versinken.
Da geht's hinauf: Biancograt
Der Wecker klingelt um 2.45. Im Lager ist es ziemlich ruhig. Selbst beim Frühstück kommt überhaupt keine Unruhe auf, die Hütte ist zwar nicht voll, aber so entspannt habe ich selten eine Hütte vor einer solchen Tour erlebt. So kommt es dann auch, dass wir als erste Richtung Furocla Prievlusa starten, alle anderen peilen den Piz Roseg an. Zu Beginn finden wir den Weg sehr gut, zweimal verlieren wir ihn aber und müssen jeweils ein paar Meter zurück. Dabei holen uns zwei nachfolgende Seilschaften ein. Die erste heiklere Stelle ist das Überwinden des Bergschrunds, ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Zur Fuorcla gehen wir über die Firnflanke, diese ist gut eingeschneit und weißt schönen Trittfirn auf. In der Fuorcla treffen wir auf die Sonne. Nach einer kurzen Pause machen wir uns an die Kletterei. Zu Beginn haben wir einen Bergführer mit seinen Kunden vor uns, der uns den Weg weißt, doch dadurch, dass wir über Fixpunkte sichern, brauchen wir länger. Die Kletterei zieht sich ziemlich bis wir endlich auf dem eigentlich Biancograt ankommen. Die zweite heikle Stelle ist die Umgehung des letzten Köpfles im Firn, hier ist es ziemlich aper und der Abgrund tief. Danach ist der Grat wunderbar gespurt und es heißt für die nächsten 400hm einfach nur sauber einen Schritt nach dem anderen setzen. Das Panorama ist wunderbar, doch habe ich diesmal keinen Blick dafür, ich konzentriere mich voll und ganz auf den Grat. Endlich sind wir am Piz Bianco, doch der Weiterweg sieht ganz schön heiß aus. Aber wie so oft, entpuppt es sich dann als leichter, doch die Kletterei zieht sich noch mal etwas weiter als gedacht.... Als wir endlich auf dem Gipfel der Bernina sind, fällt mir ein großer Stein vom Herzen. Aber die Tour ist hier keinesfalls zu Ende. Der Abstieg über dem Spallagrat hat es auch noch mal in sich: noch mal ein ausgesetzer Grat bevor wir Richtung Rifugio Marco e Rosa abseilen. Hier  erholen wir uns mit Radler und einem tollen Essen inkl Pasta aus Plastiktellern - eine echte italienische Hütte also.
Spallagrat
Am nächsten Morgen starten wir wieder früh (um 6:00), denn der Weg bis ins Tal ist noch weit. Wir queren die Hänge unter den Bellavistagipfeln, um die Uhrzeit ist alles fest und hart, zum Fortezzagrat. Diesen seilen wir teilweise ab und teilweise klettern wir ab, bevor wir den Rest über Firn Richtung Vadret de la Fortezza absteigen. Bis wir an der Isla Persa ankommen ist fast Mittag. Jetzt heißt es den Pfadfindersinn auszupacken, erstaunlich gut finden wir mittels alter Trittspuren und viel Fantasie von Steinmännchen den Wanderweg der von der Diavolezza zur Bovalhütte führt. Unsere Beschreibung war schon etwas älter und führt ebenfalls über die Bovalhütte, doch erscheint uns das bei dem aktuellen Gletscherstand nicht als der schnellste Weg. Auf der alten Seitenmoräne vom Vadret Pers steigen wir Richtung Morteratschgletscher ab - ein kleiner Pfad und nicht zu alte Trittspuren lassen uns vermuten, dass wir hier irgendwie durchkommen müssten. Und tatsächlich scheint hier ein Weg auf den Morteratschgletscher zu führen. Dieser lässt sich sehr gut ohne Steigeisen begehen und so hoffen wir an der Zunge irgendwie wieder auf Land zu kommen und laufen nach vorne. Und auch hier haben wir wieder Glück, auf der rechten Seite kommen wir auf gewachsenen Fels und nun heißt es nur noch zum Touriweg abzusteigen. Bald haben uns die Massen wieder und wir wandern auf dem breiten Weg raus Richtung Morteratsch. Dabei wird einem noch mal vor Augen geführt, wie schnell sich der Gletscher zurückgezogen hat, dafür haben nun Pflanzen und kleine Bäume das ehemalige Gletscherbett erobert.
In der Bellavistaquerung
In Morteratsch gibt es erst mal was zu trinken: Unsere Camelbags waren schon lange leer... Geschafft suchen wir uns ein schattiges Plätzchen und warten auf den nächsten Zug.
Die schweren Hochtourenstiefel werden gegen leichte Wanderschuhe getauscht und der letzte Urlaubstag mit Zachi und Family im stabilen Hoch genossen.

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